Gran Canaria ist vielfältig. Die Insel begeistert mit Traumstränden, einer wilden Bergwelt, atemberaubenden Dünen. Großstadtflair gibt es in Las Palmas ebenso wie verträumte Dorfidylle in abseits gelegenen Tälern. Sie können auf Kolumbus‘ Spuren wandeln, Museen und Kirchen entdecken, eine Wallfahrt oder den prächtigen Karneval erleben – auch kulturell sind kaum Grenzen gesetzt. Genießen Sie die traditionelle Küche, den süffigen Wein der Insel. Tauchen, wandern, windsurfen, die Nacht zum Tage machen oder einfach nur entspannen: Auf Gran Canaria herrscht nie Langeweile. Und die Sonne scheint dazu, das ganze Jahr. Jeden Morgen das gleiche Bild: Männer machen sich mit Macheten zwischen Bananenstauden zu schaffen. Tomatenpflücker ernten duftende Früchte. Fischer tuckern in ihren Booten hinaus aufs Meer. Esel ziehen Pflüge durch Terrassenfelder in den Bergen. In den Straßen von Las Palmas staut sich der Verkehr – Gran Canaria beginnt den Tag. Oft fällt es schwer, in der Sonneninsel, die nur 150 km von Afrikas Küste entfernt liegt, eines der größten Touristenziele Europas zu erkennen. Ungeachtet der gut drei Mio. Urlauber, die hier jedes Jahr Wärme und Erholung suchen, hat Gran Canaria seinen ländlichen, mediterranen Charme bewahrt. Ob San Nicolás im Westen oder Agüimes im Osten – in den meisten Orten folgt der Alltag einem gemächlichen Rhythmus. Eng scharen sich im Ortskern die Häuser um die Dorfkirche, die wie ein Hirte aus der Menge der quadratischen Flachbauten herausragt. Davor die schattige Plaza als Spielplatz für Kinder und Treffpunkt der in traditionelles Schwarz gekleideten Alten. Doch natürlich ist auch auf Gran Canaria die Zeit nicht stehen geblieben. Dörfer verwaisen. Neubausiedlungen locken mit mehr Platz und Abwechslung. Selbst wer hoch in den Bergen wohnt, ist heute in weniger als einer Stunde in Gran Canarias Kapitale, in der es südländisch hektisch zugeht. Kaum noch etwas erinnert in Las Palmas an den Ort, den der spanische Konquistador Juan Rejón 1478 vorfand, als er am 24. Juni mit 600Getreuen an Land ging, um die mit 1532 km² nach Teneriffa und Fuerteventura drittgrößte Kanareninsel für die kastilische Krone zu erobern. Weite Strände säumten den Nordosten der Insel. Ein munterer Fluss strömte der Küste entgegen. Fünf Jahre lang wehrten sich die Altkanarier gegen die Eroberung. Dann setzten sich die Europäer mit Hilfe ihrer modernen Waffen durch. Doch in den folgenden Jahrhunderten blieben die Veränderungen weitgehend auf Las Palmas und dessen Umgebung beschränkt. Man erlebte Boom und Niedergang des Zuckerrohranbaus. Der Schiffshandel zwischen Europa und Amerika bescherte der Stadt Wohlstand, aber auch Piratenüberfälle auf den prosperierenden Hafen. Gran Canaria war Las Palmas. Der Rest verharrte in bitterer Armut. Erst der aufblühende Tourismus half der Insel endgültig auf die Beine. Seit Anfang der 1960er-Jahre im Süden eines der größten Ferienzentren Europas entstand, gab es eine rasante Entwicklung. Hotelanlagen und Resorts für mehr als 100000 Gäste entstanden zwischen San Agustín und Puerto de Mogán, ein Ende ist nicht in Sicht. Zu herrlich sind Strände und Dünenlandschaft, zu beständig das gute Wetter, zu ideal die Lage zwischen Meer und Bergen. Wie mit einem Katapult ins 20. Jh. geschossen, taten sich viele Canarios schwer, dies alles zu verdauen. Vor allem junge Leute verführt der Alltag der Touristen – stets gut drauf und mit Geld in der Tasche – heute mehr denn je dazu, es ihnen gleichzutun. So ziehen sie schnelle Jobs einer guten Ausbildung vor, landen aber auch ebenso rasch als Arbeitslose wieder auf der Straße. Viele Besucher sind nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen Gando geschockt von der Kargheit des Inselsüdens. Nur einheimische Flora trotzt dieser Dürre: Cardón (Säuleneuphorbien), Retama, Tabaiba oder Tajinaste – dickblättrige, buschige Gewächse, die lange Zeit Wasser speichern können – haben sich an eine Existenz in diesen Trockenzonen angepasst. In den Ferienorten nimmt dann Blütenzauber, der nur dank aufwendiger Bewässerung existiert, die Ankömmlinge gefangen. Viele verlassen diesen lieblichen Teil der Insel während ihres Urlaubs nie. Schade, denn Gran Canaria ist sehr vielfältig. Nahezu kreisförmig und vulkanischen Ursprungs, wird das Eiland genau in der Mitte vom 1949 m hohen Pico de las Nieves überragt, dem höchsten Punkt der cumbre, der zentralen Gebirgsregion. Von hier aus führen barrancos – Erosionstäler – sternförmig zu den Küsten. Calderas – kesselförmige Krater – erinnern an die vulkanaktive Zeit. Stauseen im Hochland sind für die Trinkwasserversorgung sehr wichtig. Rasch wechselt mit zunehmender Höhe die Vegetation. Kakteen, Orangen- und Bananenplantagen weichen Maulbeer- und Feigenbäumen. Im Frühjahr taucht blühender Ginster die Berge in leuchtendes Gelb. Einst waren weite Teile der Insel mit Kanarischer Pinie bedeckt. Lorbeerwälder entzogen den Passatwolken Feuchtigkeit, die zu Boden tropfte und die Insel fruchtbar machte. Es gab eine einzigartige Vegetation. Erst der Kahlschlag der Spanier, die Holz für den Schiffbau brauchten, und später die Monokulturen der Pflanzer schädigten das fragile Ökosystem schwer. Inzwischen stehen gut 40 Prozent der Insel unter Naturschutz, Meerwasserentsalzungsanlagen und Recycling helfen, den enorm gestiegenen Wasserbedarf zu decken. Wer sich auf sie einlässt, kann die Vielfalt der Insel in vollen Zügen genießen. Beispielsweise auf dem Dach Gran Canarias, dem Pico de las Nieves. Bei Los Pechos liegen die tollsten Aussichtspunkte. Weite Wälder überziehen die tiefer gelegenen Berghänge im Norden. Teneriffas Teide, Spaniens höchster Berg, scheint zum Greifen nah. Einheimische Tiere gibt es nur wenige. Eidechsen rascheln durchs Gestrüpp, Tauben und einige Raubvögel bevölkern die Lüfte. Der Kanarienvogel fliegt in seiner Urform als unscheinbarer gelbgrüner Girlitz durch die Wälder. Artenreicher ist das Meer. Beim Schnorcheln können Sie viele Fische, z. B. Mantarochen, entdecken; in den bis zu 4000 m tiefen Gräben zwischen den Inseln tummeln sich Haie, Delphine und Grindwale. Die Canarios haben sich anfangs schwer getan mit Europa, ja sogar mit Spanien. Noch in den 70er-Jahren gab es separatistische Bewegungen. Inzwischen haben sich die Gemüter beruhigt. Gelder aus Brüssel haben auch in den Dörfern neue Jobs geschaffen. Las Palmas‘ Altstadt Vegueta, älteste Kolonialstadt Spaniens, unterstreicht mit massiven Bauten die einstige Pracht. Artenara ist ein erstklassig erhaltener Höhlenort. Größte Augenweide ist jedoch Teror. Das Ensemble aus antiker Basilika, natursteingepflasterten Straßen und Hausfassaden mit herrlichen Holzbalkonen ist vollständig erhalten und gilt als bestes Beispiel kanarischer Baukunst. Auf einer kleinen Plaza unweit der Basilika steht ein Exemplar der geheimnisvollsten kanarischen Pflanze. Der Drachenbaum drago ist das Wahrzeichen der Insel. Den Altkanariern galt er als heilig. Sein „Drachenblut“ – das Harz färbt sich an der Luft dunkelrot – wurde bei der Zubereitung von Heiltränken verwendet.